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Cappuccino

Ein Fuß vor den anderen. Step by Step, nach und nach. So ist mein Lauf an diesem frischen Sonntagmorgen, 

Es fällt mir schwer, eigentlich laufe ich nur, weil mir die Waage missfällt. Weil ich mich nicht wohl fühle, weil ich gerade nicht ich bin. 

Der Atem tut weh, die Lunge brennt. Ich muss langsamer laufen, gehe sogar für ein paar Meter weil ich merke, dass mein Herz zu schnell schlägt. 

 

Jetzt geht es wieder, die Sonne kommt raus und scheint über den See. Ein wunderbarer Anblick denke ich mir, wunderschön ist die Spiegelung im Wasser. 

Es ist noch so ruhig. Die meisten liegen noch im Bett, frühstücken gerade oder sind auf dem Weg zu Arbeit. 

Heute Nachmittag sieht der Weg dann hier schon anders aus. Dann wird auf dich herumgetrampelt du lieber Weg. Kleine, große, dicke und dünne Füße und Pfoten nehmen dich als Richtlinie für ihr Ziel des Spaziergangs. 

 

Doch gerade bin ich fast alleine, ein, zwei, drei Personen kreuzen meinen Weg. Ich grüße nett, hinter meiner Sonnenbrille. 

 

Ich bin ungern ungeschminkt und erst recht nicht beim Laufen. Daher setze ich gern den Schutz auf- für meine Augen und auch für die Augen der anderen. Ungeschminkt muss mich niemand sehen. 

Bescheuert denke ich gerade, wo ich diese Zeilen schreibe. 

Vielleicht nehme ich mir einmal vor ohne zu laufen. Was kann mir passieren? Nichts. 

 

Und dann der Moment, der mein Lauf änderte, der meine Gedanken wegstieß von dem oberflächlichem Gelaber in meinem Kopf. 

Eine Frau kam mir entgegen, sie war früher mein Gast.

Sie war allein. Früher servierte ich immer zwei Cappuccino mit extra aufgeschäumter Milch, ihr Mann vertrug nicht so viel Kaffee und sie konnte ihn für ihn strecken. 

Doch heute kam sie mir allein entgegen, ohne ihren Mann. 

 

Ich spürte, wie die Gänsehaut in mir aufstieg und ich traurig wurde. Mein Atem verlangsamte sich und auch mein Lauf. 

Ist ihr Mann nur in einer Reha, auf Kur, bei Besuch. 

Oder ist er weg, für immer. 

 

Es ist alles endlich und dieses kurze Bild, dieser eine Moment an diesem Sonntagmorgen verdeutlichte es mir. Und ich ärgerte mich über eine falsche Zahl auf der Waage? 

Ich meckerte innerlich und schuf mir eigenen Probleme. 

Wie dumm, wie engstirnig und naiv. Wie bescheuert, wie traurig. 

 

Ich blieb einen Moment stehen, schloss die Augen und wandte mein Gesicht der Sonne zu. In Gedanken servierte ich noch einmal dem Pärchen zwei Cappuccino mit warm aufgeschäumter Milch. 

Und ich wünschte mir für Sie, dass er nur verreist war. 

 

Doch sie trug schwarz, komplett. 

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