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Cocktail ins Gesicht

05:00 früh, verrauchte Bar und der Zeitpunkt kam, den ich schon lange vor Augen hatte. 

Die Minute, in der ich SIE traf. Sie, die mit ihm zusammen meine Beziehung zerstörte. 

Die, die mir zum jetzigen Zeitpunkt betrachtet das beste Jahr bescherte was ich je hatte. 

 

Ich habe lange überlegt, in vielen Nächten, auf Fahrten oder einfach so in bestimmten Augenblicken, wie ich reagieren würde. 

 

Mache ich die Szene à la Hollywood? Schütte ich ihr den Cocktail ins Gesicht und geh dann erhobenen Hauptes raus? 

 

Verkrieche ich mich unter dem Tisch oder renne auf Toilette in der groben Hoffnung, dass sie mich nicht gesehen hat? 

 

Schließt sich mein Hals zusammen und krampft mein Bauch, weil Wut in mir aufsteigt? 

Nichts davon ist passiert, nichts davon ist eingetreten. 

 

Ich war glücklich in diesem Moment, zufrieden und mit mir im Reinen. 

 

Ich hatte kein Herzklopfen, keine Aggression. 

Ich verspürte nicht den Drang mit ihr zu reden, sie zu sehen. Sie war mir einfach egal, ein Mensch, den ich mal kannte, ein Mensch, der mich nie weitergebracht hat oder weiterbringen würde. 

 

Aus sicherer Entfernung sah ich die beiden diskutieren, sah ich, wie schlecht es ihr ging. 

 

Und kurz, für einen gewissen Zeitpunkt sah ich mich dort stehen. Vor knapp einem Jahr. 

Wie ich nie wusste, was er macht. Es geahnt habe, dass da eine andere war und es mir wehtat. 

Ja, ich sah die Verzweiflung in ihren Augen, das traurige Gesicht und das Unverständnis, welches jede Frau in sich trägt, wenn sie merkt, dass ihr Partner nicht mehr wegbegleitend ist, sondern eine andere Ausfahrt genommen hat. 

Wenn sie ihn auf ihrer Landkarte nicht mehr finden kann, emotional und auch real. 

 

Sie kam auf mich zu, wollte mit mir reden. Ihre Stimme war getrübt, ihre Satzwahl undefiniert. Ob es der Alkohol war oder die Aufregung, ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was sie mir sagen wollte. 

Ich fragte dann, was sie von mir hören wollte. Die Antwort: „du musst nichts sagen“ war dann für mich auch das Ende dieser kurzen Kommunikation und ich wandte mich wieder meinen Gesprächspartnern zu. 

Kurz danach verließ ich die Bar und umarmte sie vorher noch einmal. 

Vor meinem Auto wartete er, der Mann, der mich lange begleitet hat in meinem Leben. 

Der mich mit ihr betrogen hat und nun vor mir stand, zerbrochen und nicht heil. 

Ich hatte ihn schon lange vergeben, ihm verziehen, weil ich meine Nerven daran nicht mehr verlieren wollte. 

Somit konnte auch ihn in den Arm nehmen. 

Er war, bleibt und ist immer ein Teil meines Lebens. 

 

Und ich habe aus diesem Abend wieder dazugelernt, wenn du mit dir im Reinen bist, Situationen verarbeitet hast und sie für dich begriffen, dann kann einen nichts so schnell aus der Ruhe bringen. 

 

Dann setzt du Prioritäten anders, entwickelst ein anderes Selbstbild und auch eine andere Wahrnehmung. 

 

Ich wünsche jeder Frau, die sowas durchmacht, die betrogen wurde, verletzt wurde, dass sie ein ähnliches Resultat für sich erlebt. 

Nein, ich revidier mich: ich wünsche es jeder Person auf dieser Welt. 

 

Hurt people hurts people. 

Verletze Menschen verletzen Menschen. 

 

Und ich möchte nicht verletzen und auch nicht verletzt werden. 

 

In großer Dankbarkeit an meinen Exfreund, der mich fünf Jahre lang begleitet hat und ohne die Höhen und Tiefen ich nicht zu dem geworden wäre, der ich heute bin. 

 

Und auch ein kleines Danke an die Person, welche der Auslöser für die Trennung war. Ohne diesen Schmerz hätte ich mich nie selbst so reflektiert, wäre nie so zu mir gekommen und hätte nie gesehen, was alles möglich ist. 

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