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Sommersprossen

Es ist Freitag 10:00. Ich sitze im Zug und es steigt eine Horde unerwachsener Menschen ein, ich schätze ca. 8 Jahre, vielleicht auch schon 10. Ich kann das schlecht schätzen. Ich bin mit Kindern nicht aufgewachsen, habe keine Schwester oder Cousins. Oder ich kann einfach nur schlecht schätzen. 

 

Ich sitze auf einen 4-er Platz, bis jetzt war die Fahrt ruhig und ich konnte abschalten. 

Doch nun, es wird laut, die Stimmen hell und die Gespräche herrlich unkompliziert. 

Es geht nicht um Zahlen, Daten, Fakten. Um neue KPI’s, um den Jahresabschluss oder den nächsten Call zur Übernahme eines globalen Offerings. 

Nein, es geht um was essentiellers, um den Tag den sie erlebten und um das Wochenende vor ihnen. 

Es geht um die blöden Eltern und um den Test, der anscheinend am Montag ansteht. 

Sind nicht Ferien? Dachte ich- aber ich kenn mich nicht aus in dem Ferienplan, ich habe keine Kinder und weiß nur, dass gerade keine Ferien sein durften, da mein Chef nicht im Urlaub ist. Aber wir sind ja gerade in einem anderen Bundesland…. Ach was weiß ich, egal. 

 

Wichtiger interessieren mich die Gedankengänge dieser Heranwachsenden Generation. 

Vor mir hat sich ein Mädchen gesetzt, zuckersüß, mit Sommersprossen über ihrem gesamten Gesicht. Die Sonnenbrille cool ins Haar gesteckt. Eher der Typ „Ich-renn-mit-dir-über-Felder-und-Wiesen“ als der „Rosa-rot-ist-meine-Barbiepuppe“. 

Ist Barbie überhaupt noch in? Ich weiß es nicht. 

 

Alle mit Smartphones. Es werden Bilder gemacht. Es geht um Apps, die ich nicht kenne, ich werde alt. Es ist so weit. 

Das Mädchen vor mir ist echt cool. Sie wird ihren Weg gehen, ich denke, sie wird irgendwann mal Projektmanager oder Unternehmerin. Sie ist keck, frech und wirkt bedacht. 

Ich finde es faszinierend, dies zu sehen und zu beobachten. 

 

Ich würde ihr gerne einmal mit ihr über ihre Ziele reden, bzw. Träume. Ich glaube, so nennt man das in diesem Alter noch. 

Und gerade erwische ich mich, wie ich mir vorstelle, auch meiner Tochter einmal zu erklären, wie die Welt funktioniert. Wie man seine Gedanken steuern sollte und dankbar über Kleinigkeiten ist. 

Ja, ich will auch mal mit meiner Tochter im Zug sitzen und irgendwo hinfahren. Wohin? Egal, weil Hauptsache ist, sie ist bei mir. 

Warum ich denke, dass ich eine Tochter bekomme? Es ist eine Art Eingebung, ich sehe mich mit ihr zusammen in der Zukunft. 

 

Zusammen sitzend und neue Kinder beobachten, welche als Folgegeneneration in Zügen von Stadt zu Stadt reisen. 

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